Dipl.-Psych. Christian Hemschemeier - Psychologische Praxis Hamburg Alstertal

     
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Presse-Reaktionen

Anderen Frauen fehlt der Mut zu diesem Schritt. Katrin, 35: „Stefan und ich sind seit einem Jahr zusammen, und gerade am Anfang hatten wir eine Menge Spaß, auch im Bett. Wenn ich ehrlich bin, schäme ich mich aber ein bisschen für ihn – ich als Projektleiterin, er als Schuhverkäufer, das passt eigentlich nicht zusammen. Dafür gibt er mir eine Menge Streicheleinheiten, körperlich und seelisch. Und es ist eben nicht mehr so wie mit 20, als ich nur samstagabends ausgehen musste, um den nächsten Typen kennen zu lernen.“ Ihre Strategie ist weit verbreitet, vor allem, wenn die biologische Uhr mahnend tickt: Warmhalten und nebenbei die Augen aufhalten, ob nicht noch ein vielversprechenderer Kandidat auftaucht. Wenn der auch nicht hält, was er verspricht, geht das Doppel-Spiel von vorn los.

Das hat natürlich einen praktischen Nachteil: Wer einen Klotz namens Stefan am Bein mit auf die Piste schleppt, wird damit kaum den perfekten Mann kennen lernen. Auch Psychologe Hemschemeier hält wenig vom Beziehungs-Hopping mit Netz und doppeltem Boden – nicht nur, weil dabei einer den anderen als emotionales Heizkissen missbraucht: „Menschen, die sich so verhalten, haben vor allem Angst vor dem Alleinsein. Das ist aber nicht gut für die eigene Entwicklung. Die Partner wechseln, das Abhängigkeitsgefühl bleibt. Denn wer sich von Beziehung zu Beziehung hangelt, lernt nie, mit sich selbst glücklich zu sein. Also passt er sich in jedem neuen Verhältnis an wie ein Chamäleon.“ Die Folge: Harmoniesucht statt.

Auseinandersetzung – und schon ist die nächste laue Liaison vorprogrammiert. Denn para-doxerweise droht lähmende Langeweile nicht den Paaren, die sich regelmäßig fetzen, sondern solchen, die ängstlich auf Kuschel-Kurs verharren. Er würde gern für drei Monate ins Ausland gehen? Sie möchte häufiger zu Live-Konzerten, während es ihm in Clubs zu laut ist? Bloß nicht daran rühren – im Streit müsste man seine Zweckbeziehung ja auf den Prüfstand stellen. Die Folge: „Wenn man alles ausblendet, was die Harmonie stören könnte, fehlt früher oder später die Spannung – auch die erotische.“

Was heißt das nun für die Annes, Janas und Katrins dieser Welt? Geduldig auf den Traummann warten und keinen Kompromiss mehr eingehen? Nein, glaubt Hemschemeier: „Nicht jede Beziehung, die lauwarm beginnt, ist zum Scheitern verurteilt. Wer nicht blind vor Leidenschaft ist, kann mit einem wachen Blick gemeinsame Interessen und Eigenschaften ausloten. Das kann auf die Dauer sehr tragfähig sein.“ Ein Beispiel ist Michaela, 33. Auch sie startete in der Lau-Zone: „Als ich vor fünf Jahren mit Andreas zusammen kam, haben mir meine Freundinnen höchstens drei Monate gegeben. Ich war anfangs eher geschmeichelt als verliebt, weil Andreas so altmodisch für mich schwärmte. Fast jeden Tag brachte er Blumen mit. Er konnte toll erzählen, und wir interessierten uns für die selben Dinge. Außerdem merkte ich bald, dass ich mich auf ihn verlassen konnte – er fing mich rührend auf, als kurz nach unserem Kennenlernen mein Vater starb.“

Wenn er nichts weiter gewesen wäre als ein lieber Kerl, hätten Michaelas Freundinnen Recht behalten. Aber bald zeigte er sich auch von einer anderen Seite: „Andreas ist der sturste Mensch, den ich kenne. Er hat mir nie das Gefühl gegeben, dass ich ihm auf der Nase herumtanzen kann. Durch die Auseinandersetzungen bekam ich plötzlich auch Lust, mit ihm zu schlafen. Wir sind sehr verschieden: Ich eher abenteuerlustig, er sicherheitsbedürftig. Wir hatten harte Kämpfe, sind dabei aber lernfähiger und selbstkritischer geworden, letztlich hat uns das verbunden. Letztes Jahr kam die größte Bewährungsprobe: Ich hatte eine leidenschaftliche Affäre. Und habe mich dann für Andreas entschieden. Er hat mir verziehen.“ An diesem Tag hat sie ihm die Blumen mitgebracht. Verena Carl


 

 

 

 

"Petra" September 2001 - Artikel "Liebe in der Wartestellung"im Volltext

Immer mehr Frauen überbrücken das Warten auf den Märchenprinz mit lauen Zweckbeziehungen. Bequeme Kompromisse statt echter Gefühle – kann man so sein Glück finden?

Er ist das, was man einen netten Kerl nennt. Einer, der ihr sonntags die Frühstücksbrötchen holt und danach hingebungsvoll ihr Fahrrad repariert. Der sogar mit ins Kino kommt, wenn ein echter Hollywood-Heuler läuft, und sie an sentimentalen Stellen mit Taschentüchern versorgt. Manchmal wacht sie nachts auf, schaut ihn an, wie er da mit seinem schlechten Atem ins Kopfkissen schnarcht, und dabei fällt ihr auf, dass sie seit Wochen keinen Sex mehr hatten und seit drei Tagen hauptsächlich übers Fernsehprogramm geredet haben. Doch statt die Koffer zu packen oder zumindest eine Krisensitzung einzuberufen, dreht sie sich nochmal um und schläft weiter. Na gut, er war noch nie der Typ, der ihr schlaflose Nächte bereitet hat vor Lust oder Sehnsucht. Aber Schluss machen – warum denn?

In den 50er Jahren bezeichnete man Beziehungen dieser Art spöttisch als „Bratkartoffelverhältnis“. Ewige Junggesellen suchten sich irgendwann eine Kittelschürzenträgerin, die ihnen warme Mahlzeiten kochte und gelegentlich mit ihnen unter die Daunendecke kroch. Die Zeiten haben sich geändert: Heute sind es auch Frauen, die sich – zumindest phasenweise – mit lauen Zweckbeziehungen zufrieden geben. Nicht die große Liebe, aber dafür warme Füße. Heute lautet der Deal nicht mehr „Bratkartoffeln gegen Wohnrecht“ – heute wollen Frauen Streicheleinheiten für ihr Ego, dafür dürfen sich Männer vorübergehend mit ihnen schmücken. Ein Beispiel ist Anne, 27: „Heiko ist nicht mein Traumtyp, aber dafür gibt er mir alle Freiheit der Welt: Ich habe den Schlüssel für seine Altbauwohnung, kann mich aber jederzeit in mein Apartment zurückziehen. Er ist für mich da, wenn ich ihn brauche, er ist mir aber auch nicht böse, wenn ich ohne ihn ausgehe oder in Urlaub fahre. Noch dazu ist er enorm großzügig und ganz wild darauf, mich allen seinen Freunden vorzustellen. Klingt perfekt – nur, dass ich immer seltener Lust habe, mit ihm zu schlafen. Obwohl ich ihn eigentlich ganz attraktiv finde.“

Kein Wunder, denn Sex ist das Lebenszeichen der Liebe: Ist emotional der Ofen aus, köchelt auch die Lust auf Sparflamme. „Frust im Gespräch und Frust im Bett gehen fast immer Hand in Hand“, weiß der renommierte Hamburger Paartherapeut Christian Hemschemeier (www.eheberatung.info). Der Kitt, der Vernunft-Paare wie Anne und Heiko zusammenhält, besteht aus Bequemlichkeit, Ängstlichkeit und Mitleid. Nicht nur materielle Trägheit hält Beziehungen künstlich am Leben – wer will schon eine gemeinsame Penthouse-Wohnung in Schwabing oder Prenzlberg aufgeben, wenn darin nicht gerade der Rosenkrieg tobt? –, sondern auch die Angst vor einem neuen emotionalen Risiko: Warum sollte man sich wieder ins Single-Jammertal voll ausbleibender Anrufe, sexueller Peinlichkeiten und beziehungsgestörter Großstadtneurotiker wagen? Schließlich gibt es keine Garantie, dass beim nächsten Mann alles anders wird. Und auch Schuldgefühle können verbinden: „Heiko ist so rührend zu mir“, sagt Anne, „ich kann ihn doch nicht einfach fallen lassen!“

Das Liebesleben paarungsbereiter Menschen über 20 ist ein Balanceakt zwischen Romantik und Realismus. Hemschemeier: „Egal, ob im im Kino, in der Werbung oder in den Medien: Unsere Umwelt suggeriert uns ein Idealbild von Liebe, bei der alles stimmt: harmonische Gespräche, toller Sex, viel Geld. In einer wirklichen Beziehung ist die Decke immer zu kurz.“ Wer das ein paar Mal erlebt hat, entscheidet sich irgendwann für emotionale Tiefstapelei – und wird meistens auch nicht glücklich. Jana, 28: „Lange Zeit habe ich mich von Liebeskummer zu Liebeskummer gehangelt. Ich konnte zwar mit jedem Mann schlafen, den ich wollte – aber meine Gefühle wurden nie so recht erwidert. Also habe ich schließlich den Annäherungsversuchen meines Kollegen nachgegeben. Der war schon lange in mich verliebt, und ich dachte mir, was soll's, der ist nett und tut mir nicht weh. Aber dann kam mir alles so falsch vor: seine anhimmelnden Blicke, seine Liebeserklärungen. Ich fing an, an ihm herumzusticheln, störte mich an seinem Musikgeschmack und seiner Turnschuhmarke. Ich benahm mich plötzlich genau so wie die Männer, die mir wehgetan hatten. Gebetsmühlenartig habe ich mir immer wieder vorgehalten, was ich eigentlich an ihm schätzen müsste. Es half nichts: Mein Herz spielte nicht mit.“ Nach ein paar Monaten im Fahrwasser seiner Gefühle verließ sie ihn. „Jetzt muss ich wenigstens meine Energie nicht mehr darauf verschwenden, mir einzureden, wie toll er ist.“

 

 



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